Sie sehen eine gut gekleidete Person – und Ihr erster Gedanke …? Ist sie Ihnen auf Anhieb sympathisch? Fällt es Ihnen leicht, diesem Menschen spontan zu vertrauen? Und wie geht es Ihnen, wenn die Person inadäquat gekleidet ist?

Es ist wissenschaftlich erforscht: In weniger als 3 Sekunden stecken wir Menschen in eine Schublade. Unbewusst. Ob wir wollen oder nicht. Das Unterbewusstsein reagiert schnell und fragt unser Gehirn nach „Freund oder Feind?“.

Mit unserer Kleidung haben wir das Potenzial, Informationen visuell auszusenden, und die Chance, auf den ersten Blick zu punkten – oder nicht. Kleidung signalisiert Gemeinsamkeiten oder Abgrenzung. Durch sie teilen wir anderen etwas über unseren beruflichen und gesellschaftlichen Status mit und erzählen subtil viel von unseren Einstellungen und Denkweisen. Je mehr Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen es in der Kleidung gibt, umso mehr Vertrauen wird geschaffen. Das ist ein wichtiges Kriterium für jene, die sich in immer enger werdenden Märkten positionieren wollen.  Profis wissen, wie sie bei Kunden einen vertrauensvollen Eindruck erwecken.

Wer Autorität ausstrahlt, genießt eher Vertrauen

Jeder kennt das: Personen in Uniform erzeugen ein ungutes Gefühl und lassen uns denken: „Habe ich etwas falsch gemacht?“  Andererseits signalisieren sie Kompetenz: Wenn wir etwa am Flughafen eine Info brauchen, hilft uns die Kleidung der Auskunftsperson, sie schnell von anderen Personen zu unterscheiden. Begegnen wir einem Anzug tragenden Mann, geben wir ihm bewusst oder unbewusst mehr Status.

Wir neigen dazu, Aussagen von „Anzug-Menschen“ mehr als jenen von nachlässig oder „alternativ“ gekleideten zu vertrauen. Auch dann, wenn diese möglicherweise höher qualifiziert und kompetenter als die Anzugträger sind. Entscheidend ist  nicht immer die Qualifikation einer Person, sondern die Art und Weise, wie sie diese Kompetenz verkauft.  Hat jemand bereits einen bestimmten beruflichen Status, spielt das Outfit eine untergeordnete Rolle.

Ein wissenschaftliches Experiment von Verhaltensforschern beweist: Menschen werden unbewusst von der Art der Kleidung beeinflusst. Im ersten Versuch trug eine Person (ein Schauspieler) einen Anzug, im zweiten nachlässige, abgetragene Freizeitkleidung. Die Versuchsperson musste die Straße bei roter Ampel queren. Es wurde untersucht,  ob andere Menschen dem Beispiel folgten. Das Ergebnis: Dem Anzug-Mann folgten viele Menschen trotz roter Ampel, der schlecht gekleideten Person hingegen niemand.

Fazit: Für die Mehrheit der Menschen ist es in Ordnung, einer„Autoritätsperson“ auch bei roter Ampel zu folgen. Die Versuchspersonen stuften das Vertrauen zu dieser Person unbewusst höher ein, sie fühlten sich sicherer und ließen sich demnach beeinflussen, die Straße bei Rot zu überqueren.

Einheitliche Kleidung schafft Vertrauen

Viele Kunden begrüßen es, beim Betreten eines Geschäftes die Mitarbeiter auf den ersten Blick als solche identifizieren zu können. Einheitliche Kleidung beeinflusst das Vertrauen in das Unternehmen positiv. Corporate Fashion sorgt also für ein professionelleres Auftreten der Mitarbeiter, was die Unternehmens-Kompetenz stärkt. 

Farben vermitteln Vertrauen

Farben lösen Empfindungen, Gedanken und Erinnerungen aus. Es ist wichtig, Farben gezielt einzusetzen. Eine nicht richtig gewählte Kleidungsfarbe kann das Vertrauen stark schädigen. Ein Kinderarzt etwa darf nicht schwarz gekleidet sein. Die Beraterin einer Investmentbank muss Vertrauen und Sicherheit signalisieren – was sie in einem knallig-gelben Kostüm kaum schafft.

Stimmt der erste Eindruck immer?

Meistens funktioniert der erste Eindruck. Gut gekleidete Menschen werden sofort höherwertiger eingestuft. Für die erste Begegnung ist die Optik schlichtweg das Wichtigste, gefolgt von weiteren Optionen wie etwa Körpersprache und Stimme, was den positiven, ersten Eindruck entweder schmälern oder weiter verstärken kann.

Wer Kleidung nicht als Botschaft zu nutzen weiß, kann zwar vertrauensvoll sein, nur wird es in der Regel niemand sehen. Kleidung kann auch etwas vorgaukeln, es gibt Betrüger in feinem Zwirn. Irgendwann wird die Ent-Täuschung folgen – und das meist relativ schnell.  Gottfried Keller erzählt in der 1874 erschienenen Novelle „Kleider machen Leute“ vom Schneiderlehrling Wenzel Strapinski, der wegen seiner Kleidung für einen polnischen Grafen gehalten wird. Er nutzt diese Situation aus, bis er auffliegt.

Gut angezogener Mann versus gut angezogene Frau

Mann und Frau wird dasselbe Vertrauen zugestanden. Eine gut gekleidete Frau hebt sich von der Masse ab und wird für intelligenter gehalten als eine sexy gekleidete Frau. Gut gekleidete Männer sind bei Frauen sehr beliebt – ein Wettbewerbsvorteil, dessen sich  Unternehmen mit vorwiegend weiblichen Kunden bedienen sollten.

Sehen wir uns um, so gibt es nicht viele gut gekleidete Menschen. Die Devise lautet: Man ist lieber unauffällig angezogen als zu perfekt. Es gibt offenbar die Befürchtung, als Mann als eitler Gockel zu gelten oder als Frau zu große Konkurrenz für andere Frauen sein. Je aufreizender Frauen gekleidet sind, desto heftiger unangenehm fällt die Reaktion anderer Frauen aus. Eitelkeit in Verbindung mit Kompetenz im Job ist eher verpönt.  Je gediegener und stilvoller Frauen gekleidet sind, umso leichter haben sie es im Business.

Alles nur Vorurteile und Schubladen?

Vorurteile sind aus psychologischer Sicht notwendig. Seit tausenden von Jahren kategorisieren wir Menschen nach äußeren Kennzeichen. Früher erkannte man die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Zunft an der Kleidung. Heute sagt das Outfit, in welcher Liga jemand spielt, in welcher Berufssparte er oder sie tätig ist. Der Kategorisierungs-Vorgang spielt sich in unseren Emotionen ab.

Diese subjektiven Vorstellungen haben wir durch Erfahrungen erlernt. Überlegenswert wäre, ob wir aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes einer Person nicht manchmal doch zu schnelle (und falsche) Rückschlüsse auf dieselbe ziehen …

Wirken selbstbewusste Menschen vertrauensvoller?

Selbstbewusste Menschen haben eine besondere Ausstrahlung. Sie besitzen Charisma, das zwar zu spüren, doch nicht leicht in Worte zu fassen ist. Sie kleiden sich ihrer Rolle entsprechend und wirken vertrauensvoll. Claudia E. Enkelmann, Psychologin und Soziologin, schreibt: „Die größte Schwäche der Frauen ist ihr Mangel an Selbstvertrauen“! Viele Frauen haben sich unserer von Männern bestimmten Gesellschaft angepasst – bewusst oder unbewusst.

Frauen denken, maskuline Verhaltensweisen und Kleidung trüge dazu bei, mehr respektiert zu werden. Schade. Ist doch Weiblichkeit der (!) Pluspunkt in der männlich dominierten Welt. Eine selbstbewusste, weibliche Frau wirkt vertrauensvoll – das stärkt die Position der Frau. Umgekehrt kleiden sich Männer wohl kaum feminin, um akzeptiert zu werden.